Einführung
Nikolina war damals ein elfjähriges Mädchen. Mit sieben Jahren begann sie Klavier zu spielen. Im Studio der Künste in Nasran, einer Stadt in der Kaukasusrepublik Inguschetien, wurde sie mit hervorragendem Klavierunterricht gefördert. Ihre Klavierlehrerin stellte ihr eines Tages den „Jazz Parnass“ des Komponisten Manfred Schmitz auf das Klavier. Sie war von seiner Musik derart beeindruckt, dass in ihr der Wunsch entstand, auch Melodien zu erfinden, sie möchte komponieren. Und tatsächlich fällt ihr eine eigene Melodie ein, sie spielt sie immer wieder auf dem Klavier, bis sie so zufrieden ist, dass sie einen nächsten mutigen Schritt wagt.
Der Komponist, dessen Musik ihr so viel bedeutet, soll von ihr erfahren, und sie möchte, dass er ihre Musik hört.
Nikolina lebt in Nasran. Der Komponist Manfred Schmitz wohnt und arbeitet in Berlin-Köpenick. Die Entfernung zwischen diesen beiden Städten beträgt 3.000 Kilometer. Was ist also zu tun? Nikolina ist ein Kind ihrer Zeit und weiß um die Möglichkeiten, die das Internet ihr bietet. Sie stellt ihre Komposition auf YouTube ein und lässt dem Komponisten eine Nachricht zukommen, dass er sich ihre Komposition anhören kann.
Ja, sie geht noch einen Schritt weiter: Sie widmet ihm ihre erste Komposition.
Manfred Schmitz ist erfreut und sehr überrascht und dankt ihr mit einem persönlichen Brief, in welchem er sie ermuntert, weiter zu komponieren und vor allem, ihre Kompositionen aufzuschreiben. Das geschah im Jahr 2011.
Das Studio der Künste in Nasran wird geleitet von Zara Dolukova. Für sie war ebenfalls die erste Begegnung mit Musik von Manfred Schmitz einfach unvergesslich. Ein Besuch in Berlin bei dem Komponisten war der Beginn einer freundschaftlichen Beziehung, in deren Verlauf alle Kinder, die an ihrem Institut mit Schmitz-Musik in Berührung kamen, Briefe und Karten an ihn schrieben und ihn mit herzlichen Worten einluden, sie in Inguschetien zu besuchen. Dieser Einladung wäre Manfred Schmitz gern gefolgt, konnte sie aber aus gesundheitlichen Gründen nicht annehmen. Die Kinder wollten ihn so gern persönlich kennenlernen und ihm vorführen, mit welcher Freude sie seine Kompositionen spielen. Im Jahr 2014 verstarb Manfred Schmitz.
Im darauffolgenden Jahr fasste Zara Dolakova den Entschluss, im Andenken an den von ihr und ihren Schülern so verehrten Komponisten eine Konzertreise nach Berlin zu unternehmen und kam erneut in das Haus Schmitz. An seiner ehemaligen Wirkungsstätte wollte sie ein Gemeinschaftskonzert gestalten, in welchem ihre Schüler sowie Schüler der Köpenicker Musikschule auftreten, natürlich mit Musik von Manfred Schmitz. Viele Hürden waren zu nehmen und endlich, nach drei Jahren, konnte eine Gruppe von SchülerInnen und Lehrerinnen die weite Reise nach Berlin antreten.
Der Konzertabend im Manfred-Schmitz-Saal der Musikschule wurde eine „Rhapsodie der Freundschaft“. Es waren ausschließlich Stücke von Manfred Schmitz zu hören.
Eine Ausnahme aber gab es doch: Nikolina, inzwischen eine junge Frau von 18 Jahren, die nun ihre musikalische Ausbildung am Konservatorium in Moskau erhält, war bei dem Gastbesuch dabei.
Am Tag vor dem Konzert sind alle in das Haus eingeladen, in welchem Manfred Schmitz gelebt hat. Sie wollen vor allem sein Arbeitszimmer kennenlernen. Hier wollen sie seinen Flügel, seinen Schreibtisch, sein Zuhause sehen und sich vorstellen können, wie er hier all die schönen Melodien erfunden hat, die sie so gern auf dem Klavier oder der Geige spielen. Albert und sein Bruder Islam, Dzhamilia, Alina und Nikolina haben sich mit ihren Lehrerinnen darauf vorbereitet, in diesem Raum ein kleines Extra-Konzert zu geben, sie wollen auf seinem Flügel spielen, Bilder von ihm sehen, ihm so nahekommen. Und sie wollen mich fragen, wie er gearbeitet hat, wie er hier gelebt hat. Sie könnten wohl stundenlang fragen. Auch Nikolina hat eine Frage, die ihr sehr wichtig ist. Sie fragt mich, wieso denn mein Mann überhaupt auf ihre Komposition reagiert und ihr tatsächlich sogar einen Brief geschrieben hatte, damit hätte sie nie gerechnet.
Darauf gibt es nur eine Antwort:
„Weil er Kinder ernst genommen hat und immer gewünscht hat, dass Kinder die Möglichkeit bekommen sollen, zu musizieren. Die große Anzahl von Kompositionen und Unterrichtsliteratur, die er für vielerlei Instrumente geschrieben hat, sind alle aus der Überzeugung heraus entstanden, dass es für alle Kinder für ihre Entwicklung so wertvoll sei, ein Instrument zu erlernen.“
[…]
Produktbeschreibung
Musik ist meine Sprache: Portrait des Komponisten
Die Musik von Manfred Schmitz ist auf YouTube in vielerlei Einspielungen zu hören. Ob ein Sechsjähriger den „Mickey Mouse Rag“ spielt, viele Schüler in allen Altersgruppen Stücke aus dem „Jazz Parnass“ oder anderen Editionen vortragen, „Andrea“ und „Winterabend“ in vielen Interpretationen zu hören sind, Tango oder Boogie zweihändig, vierhändig auch sechshändig gespielt wird, oder ob ganze Gruppen von Kindern spezielle Arrangements für ihre Instrumente aufführen, die Reihe kann man unendlich fortsetzen.
In Shangai spielt Some Handsome Hands, ein Klaviertrio mit exzellenter Virtuosität, vor 2.000 Zuhörern, in Aserbaidschan arrangiert ein Musiker eine Schmitz-Komposition für großes Orchester, in New York stellt eine Pianistin ihr Klavier auf die Straße und spielt Schmitz.
Seine Musik ist so weit verbreitet, den Namen kennen eher vor allem Musiker, aber manchmal wird doch mehr erfragt, gibt es immer wieder Menschen, die etwas von ihm hören und gern mehr über ihn wissen möchten. Für sie ist dieses Buch, herausgegeben von Sigrid Schmitz, gedacht.
Freunde und Kollegen, Interpreten, ehemalige Studenten, Menschen, mit denen Manfred Schmitz zusammengearbeitet hat, kommen in diesem Buch zu Wort und erzählen, wie sie ihn erlebt haben.
In einem besonderen Kapitel beleuchtet Frau Dr. Tänzer die Stellung des Komponisten im Musikgeschehen der Zeit.
Inhaltsverzeichnis
Familie
Joachim Schmitz: Elternhaus und Kindheit
Sigrid Schmitz: Manfred und ich
Beruf
1. Textautoren
Gisela Steineckert: Eine vielharmonische Symbiose – Gisela und Manfred
- Manfred Schmitz war ein wichtiger Mensch in meinem Leben
- Ich frag‘ ja nur
- Lieber Meister
- Mein lieber Freund und Meister
- Wenn ich nur hätte
Lutz Jahoda: Was an Wertvollem vorbeizog, doch zum Glück mich dennoch streifte
2. Interpreten
Ute Freudenberg: Für mich war er ein Genie
Sigrid Schmitz: Ute Freudenberg – Manfreds „Kleene“ – eine herzliche Geschichte
Hans Radloff: Denk ich an Manfred
Sigrid Schmitz: Da war doch noch etwas, lieber Hans
Angelika Neutschel: Ein Traum für jeden Interpreten
Sigrid Schmitz: Gisela May – Ein besonderes Kapitel
Anna Haentjens: Die Visitenkarte eines Menschen ist seine Stimme
Scarlett O‘: Eine kurze, aber nachhaltige Begegnung
Anne Salié: Erinnerungen an Manfred Schmitz
3. Studenten
Jürgen Ecke: Laudatio anlässlich der Ehrung von Manfred Schmitz am 27. März 2004 in der Landesmusikakademie Berlin
Wolfgang Fiedler: Der Schüler und sein Lehrer – der Autor und sein Lektor
Matthias Hessel: Schönes bluesiges Durcheinander
Tobias Morgenstern: Meister der „Alten Schule“ und dabei sehr modern
4. Schüler
Christiane Neumann: Seit 50 Jahren nicht wegzudenken – was für ein Glück!
Katrin Kirchner: Guter Lehrsatz bei gutem Essen
5. Kollegen
Günter Herold: Meine Erinnerungen an Manfred Schmitz
Sigrid Schmitz: Das Manfred-Schmitz-Jazz-Trio
Sigrid Schmitz: Intensive Kontakte mit Usbekistan und Inguschetien
Obid Dshumayev: Ein „Denkmal“ für den Komponisten in Usbekistan
Dr. Zara Dolakova: Die Geschichte einer Begegnung
Melanie Hie: Spielfreude in Salzburg
Jörn Behrsing: „Ich sag‘s nur einmal, mach was daraus“
6. Wegbegleiter
Wolfgang Reichenbach: Eine Arie für die Witwe Bolte. Max und Moritz – ein Kindermusical
Dr. Petra Fellmuth/Dr. Bernd Fellmuth: Der Dank der Mitschüler oder Viel geliebt und sehr verehrt
Ursula Hönig/Bernhard Hönig: „Die Musik ist wie eine Sprache“
7. Musikwissenschaftlicher Teil
Essay von Dr. Bianca Tänzer: Schmitz und ich oder Musikgeschichte(n) – made in GDR
Anhang:
- Lebenslauf – Manfred Schmitz
- Musikeditions-Preise des Deutschen Musikverleger-Verbandes
- Diskografie Manfred Schmitz
- Aufstellung der gedruckten Werke/Noteneditionen von Manfred Schmitz
- Kurzbiografien der Mitautoren
- Bildnachweis
- Danksagung
Medien